Vor zehn Jahren starb der große Befreiungs-Pädagoge Paolo Freire.
Im armen Nordosten Brasiliens entwickelten engagierte PädagogInnen, darunter Paolo Freire, in den 1960er Jahren eine Art der Volksbildung. Sie ging über eine reine Alphabetisierung, das Lernen von Schreiben und Lesen, weit hinaus und trug zur politischen und sozialen Bewusstseinsbildung bei.
Aus diesen Erfahrungen entwickelte Freire eine „Pädagogik der Unterdrückten“ (so auch der Titel seines 1970 erschienenen weltbekannten Hauptwerkes), die auch Jahre nach dem Tod ihres „Erfinders“ nicht an Aktualität verloren hat. Freires Denken lebt nicht nur in der brasilianischen Landlosenbewegung weiter, es beeinflusst auch hierzulande die zeitgenössische entwicklungspolitische Bildungsarbeit.
Andreas Novy, Mit-Initiator und wissenschaftlicher Leiter des vor drei Jahren in Wien gegründeten „Paulo Freire-Zentrums“: „Paulo Freire inspiriert, weil er Weltentwicklung als widersprüchlich und verwoben versteht. Er delegiert nicht Weltprobleme auf andere Erdteile.“
Das Paulo Freire Zentrum betreibt transdisziplinäre Entwicklungsforschung und -bildung und setzt dabei am Erfahrungswissen an. In Österreich zu Beginn des 21. Jahrhunderts bedeute das etwa, so Novy, „Entwicklung vor Ort – in Hauptschulen, bei Roma oder im Fairen Handel – in Beziehung zu setzen zu großen Weltthemen wie Migration, Rassismus, Konzernen und Hunger“. Dabei verweigere sich Freires Lehre einem moralisierenden Gut-Böse und Richtig-Falsch und betone gleichzeitig, dass eine vernünftige Entwicklung eine Entwicklung der Moral erfordert.
Freire begann seine pädagogische Arbeit, als Brasilien gerade eine rasante Modernisierung erlebte und die städtischen und ländlichen Massen an politischer und wirtschaftlicher Bedeutung gewannen. Seine Pädagogik trug dazu bei, dass sie sich organisierten und ihre Rechte einforderten. Nach dem Militärputsch 1964 entschloss sich Freire, nach Chile ins Exil zu gehen. 1980 kehrte er nach Brasilien zurück, wo er am 2. Mai 1997 starb.
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